Kaufpreisfindung: Cash & Debt free Regeln beim Firmenkauf (2024)

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Kaufpreisfindung: Cash & Debt free Regeln beim Firmenkauf (1)

  • Zuletzt aktualisiert: 16. November 2022
  • Lesedauer: 6 Min.

Cash Free&Debt Free(CFDF) bedeutet, dass bei der Kaufpreisfindung zunächst ein Unternehmenswert frei von Barmitteln und Schulden festgelegt wird. Ähnlich wie bei einer Immobilie, die lastenfrei übertragen wird, wird also der Bruttokaufpreis angegeben, um eine für beide Seiten möglichst klare, einfache Definition im Rahmen der Unternehmenstransaktion zu verwenden. Im zweiten Schritt wird der Nettokaufpreis ermittelt.

Bei einem Unternehmenskauf einigen sich die Parteien nicht nur darauf, welche Maschinen, Lagerbestände und Immobilien im Rahmen der Transaktion übergeben werden, sondern auch darauf, mit welchen Cash-Reserven und Verbindlichkeiten/Bankschulden das Unternehmen übergeben wird. Der Kassenbestand und die Schulden ändern sich permanent durch den regulären Geschäftsbetrieb, aber auch wegen aufgelaufener Stückzinsen und Tilgungsleistungen des Unternehmens. Daher ist es sinnvoll, die Bestände (liquide Mittel und Verbindlichkeiten) schriftlich auf einer normalisierten Höhe „einzufrieren“. Ein veröffentlichter, theoretischer Bruttokaufpreis bezieht sich auf ein fiktives, rein eigenkapitalfinanziertes Unternehmen ohne Barbestände. Davon abzugrenzen ist der Nettokaufpreis, der das Niveau an Cash und Verbindlichkeiten, welches dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb entspricht, für beiden Parteien normiert.

Stichtagsinventur und Finanzinventur bei der Kaufpreisfindung

So wie bei einem Asset-Deal die Warenlager über eine Stichtagsinventur erfasst werden sollten, wird bei jedem anderen Unternehmensverkauf in aller Regel eine Art Finanzinventur beim Verfassen des LOIs (Letter of Intent) durchgeführt, sodass beide Parteien den Kaufpreis bei gegebenem Schuldenstand und Kassenbestand festhalten können. Weicht der Kassenbestand anschließend nach oben von den vorvertraglich festgehaltenen Barmitteln ab, so wird der Kaufpreis nach oben angepasst. Mit den Schulden wird entsprechend umgekehrt verfahren. Der Saldo bzw. das Ergebnis der Rechenoperation sind die Nettoschulden des Unternehmens (Cash – Verbindlichkeiten = Net debt). Leitet sich der im LOI festgelegte Unternehmenswert (Enterprise Value) direkt aus einer Multiplikator-Berechnung her, so ist konzeptionell Cash sowie nicht betriebsnotwendiges Kapital dem erhaltenen Wert hinzuzuaddieren bzw. Schulden davon abzuziehen.

Kaufpreisfindung: Cash & Debt free Regeln beim Firmenkauf (2)

Es wäre unsinnig Kredite durch den Kaufpreis abzulösen, da diese keine Zahlungsansprüche der neuen Gesellschafter darstellen, sondern als Zahlungsansprüche der Gläubiger im neuen Unternehmen bestehen bleiben. Die Aufteilung der Transaktionskosten ist theoretisch nicht eindeutig und hängt wesentlich von der Frage ab, ob es sich um einen Käufer- oder einen Verkäufermarkt handelt, sprich welche Verhandlungsstärke die Parteien besitzen.

Oftmals laufen die Verhandlungen jedoch auf einen konkreten Kaufpreis hinaus, ohne dass explizit die Herleitung eines Enterprise Values offengelegt wurde. Gibt es einen solchen verhandelten Kaufpreis bereits, dem bestimmte Bilanzpositionen zu Liquidität und Verschuldung und Umlaufvermögen ohne Cash (z.B. Vorräte und Forderungen) zugrunde gelegt wurden, so ist es sinnvoll, diese Annahmen explizit im Letter of Intent festzuhalten (Modell 2).

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Spielräume für Interpretationen gering halten

Die Gretchenfrage lautet, welche Bestandteile und Bilanzpositionen bei der Kaufpreisfindung jeweils unter Schulden und Barmitteln subsumiert werden sollen und welche Positionen den Wert des Unternehmens mindern bzw. erhöhen sollten. Konzeptionell erscheint es richtig, die Schulden dann möglichst breit zu fassen, wenn man als Kalkulationsbasis vom sog. Enterprise Value ausgeht. Gemäß der Formel: Eigenkapital (Equity) = Enterprise Value – Net Debt (Nettoschulden). Letztlich bezahlt der Käufer nur für das Eigenkapital des Unternehmens, d.h. auch Rückstellungen (im Gegensatz zu Rücklagen) oder Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen müssen vom Unternehmenswert abgezogen werden.

Umgekehrt kann der Verkäufer Forderungen aus Lieferungen und Leistungen mit einer gewissen Berechtigung als Zahlungsmitteläquivalente anführen, zumindest dann, wenn die Forderungen als werthaltig gelten müssen und erfahrungsgemäß zügig beglichen werden. Im LOI ist es sinnvoll, die jeweiligen Bilanzpositionen einzeln zu benennen, um keinen Raum für unterschiedliche Interpretationen bei der Kaufpreisfindung zuzulassen. Sprachliche und inhaltliche Klarheit sind der Schlüssel zur erfolgreichen Einigung.

Cash & Debt free – Fazit

Der Nettokaufpreis sowie die der Berechnung des Kaufpreises zugrunde liegenden Annahmen über vorhandene Barmittel, Verbindlichkeiten und Nettoumlaufvermögen sollten schriftlich in der Kaufabsichtserklärung (Letter of Intent) bereits deutlich vor dem rechtlichen Übergang des Unternehmens festgehalten werden. So ergibt sich für beide Seiten Klarheit in der Verhandlung der Kaufpreisfindung in Bezug auf die Frage, in welchem Zustand das Unternehmen übergeben wird. Im Kaufvertrag sollten entsprechende Anpassungszahlungen vereinbart werden, die den unvermeidlichen Abweichungen im Vergleich zu den getroffenen Annahmen Rechnung tragen.

Zusammenfassung

Die der Berechnung des Kaufpreises zugrunde liegenden Annahmen über vorhandene Barmittel, Verbindlichkeiten und Nettoumlaufvermögen sind extrem wichtig, um sicherzustellen, dass beide Verhandlungsparteien über dieselben Konditionen reden. Sie sollten schriftlich in der Kaufabsichtserklärung (Letter of Intent) bereits deutlich vor dem rechtlichen Übergang des Unternehmens festgehalten werden.

So ergibt sich für beide Seiten Klarheit in der Verhandlung in Bezug auf die Frage, in welchem Zustand das Unternehmen übergeben wird. Im Kaufvertrag sollten entsprechende Anpassungszahlungen vereinbart werden, die den unvermeidlichen Abweichungen im Vergleich zu den getroffenen Annahmen Rechnung tragen.

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Dr. Rainer Ammon

Geschäftsführer Calandi GmbH

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Kaufpreisfindung: Cash & Debt free Regeln beim Firmenkauf (2024)

FAQs

Kaufpreisfindung: Cash & Debt free Regeln beim Firmenkauf? ›

Cash and debt free: Definition

Was bedeutet Cash und Debt Free? ›

Der Begriff Cash Free & Debt Free (kurz: CFDF) ist gleichbedeutend mit frei von Barmitteln und Schulden und wird wegen seiner klaren Definition sowie einfachen Anwendung weltweit als Kaufpreismechanismus im Rahmen von Unternehmenstransaktionen verwendet.

Was ist der nettokaufpreis? ›

Der Nettokaufpreis ist der Preis, den ein Verkäufer beim Vollzug ausbezahlt bekommt.

Was ist die Equity Bridge? ›

Die Überleitung vom Unternehmenswert (Enterprise Value) zum Kaufpreis (Equity Value) Die Nettofinanzverbindlichkeiten (Net Debt) spielen bei einer Unternehmenstransaktion eine wichtige Rolle, da sie die Brücke zwischen dem Unternehmenswert und dem Kaufpreis sind (Equity Bridge).

Was sind Debt like Items? ›

Gegenstand von Verhand- lungen sind typischerweise Positionen, die wie Debt zu behandeln sind (sog. Debt-like- items): bspw. Finanzierungsleasing, ungedeckte Pensionsverpflichtungen, Steuerverbind- lichkeiten, unterlassene Investitionen (Capex-Backlog), Verbindlichkeiten aus Cash-Pooling etc.).

Was ist eine Earn Out Klausel? ›

Eine Earn Out -Vereinbarung bedeutet bei einem Unternehmensverkauf, dass der Kaufpreis vom Käufer aufgeteilt wird in einen fixen Anteil und einen flexiblen Teil. Der flexible Teil wird dann an die Erreichung von bestimmten Zielen geknüpft und erst nach Übertragung der Unternehmensanteile ausgezahlt.

Was ist eine Eigenkapitalgarantie? ›

Die Eigenkapitalgarantie soll Wertverluste vermeiden, die der Käufer bei übernommenen Vermögenspositionen erleiden könnte. Allerdings schützt sie nicht davor, dass etwa der Verkäufer noch vor Übertragung des Unternehmens Wirtschaftsgüter mit stillen Reserven veräußert und somit das Eigenkapital kurzfristig erhöht.

Warum zahlen Unternehmen nur Netto? ›

Nettopreise haben vor allem für Unternehmen und Händler:innen eine zentrale Bedeutung, da sie in den meisten Fällen umsatzsteuerpflichtig sind. Aus diesem Grund bewerten sie beim Einkauf ihrer Waren immer nach dem Nettopreis – die Mehrwertsteuer können sie über den Vorsteuerabzug von ihrer Umsatzsteuerschuld abziehen.

Wie hoch sollte der kaufpreisfaktor sein? ›

Allgemein gilt ein Kaufpreisfaktor von 20 als gut, weil Sie die Kosten für die Immobilie bereits nach 20 Jahren durch die Mieteinnahmen wieder drin haben.

Was ist der Unterschied zwischen Listenpreis und Nettopreis? ›

In den meisten Fällen werden nur wenige Produkte für den Listenpreis verkauft. Stattdessen werden sie für den Nettopreis verkauft - unter Berücksichtigung von Preisnachlässen für Großhandelskanäle, Verkaufsförderungsmaßnahmen und anderen Angeboten.

Ist Equity gleich Eigenkapital? ›

Wer Geld braucht, um als Unternehmen wachsen zu können, kann sich bei einer Bank Fremdkapital beschaffen. Die Alternative dazu wäre, Eigenkapital, auch Equity genannt, zu schaffen.

Was ist der Unterschied zwischen Enterprise Value und Equity Value? ›

Der Wert des Unternehmens kann unabhängig von allen Kapitalquellen als sog. Enterprise Value oder Firm Value (aggregierter Wert für alle Kapitalgeber) oder bereinigt von allem Fremdkapital als Equity Value (Wert für die Eigenkapitalgeber) verstanden werden.

Wie berechnet man den Equity Value? ›

Der Equity Value errechnet sich aus der Überleitung vom Enterprise Value (Gesamtunternehmenswert = Wert des Eigenkapitals plus Wert des Fremdkapitals) zum Equity Value. Die Überleitung wird in der M&A-Praxis auch als „Bridge“ oder „Financial Adjustment“ bezeichnet.

Wie berechnet sich Net Debt? ›

Wie berechnet man die Nettoschulden? Um den Betrag der Nettoverschuldung eines Unternehmens zu berechnen, müssen alle liquiden Mittel wie das Bargeld Vermögen, Bankguthaben und kurzfristige Wertpapiere von den Schulden abgezogen werden, wobei unter anderem zinstragende Verbindlichkeiten berücksichtigt werden.

Was gehört zu Net Debt? ›

Die Nettoverschuldung (englisch: Net Debt) zeigt die tatsächliche Verschuldung, indem sie das verzinsliche Fremdkapital um liquide Mittel bereinigt. Das verzinsliche Fremdkapital beinhaltet alle Rückstellungen und Verbindlichkeiten, auf die Zinsen erhoben werden.

Was zählt zu Debt? ›

Langfristige Finanzschulden: Langfristige Schulden sind zinstragende Schulden mit einer Fälligkeit von mehr als einem Jahr. Dazu gehören Bankschulden, Anleihen, aktivierte Leasingverträge etc. Kurzfristige Finanzschulden: Zinstragende Schulden, die spätestens 12 Monaten fällig werden.

Was bedeuten Cash? ›

Cash ist ein Begriff aus der Finanzwelt und bezeichnet das Bargeld oder die liquiden Mittel eines Unternehmens oder einer Person.

Was ist Financial Debt? ›

financial debt [FINAN.] die Finanzschulden Pl., kein Sg.

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